Der letzte Vorhang: Romy Schneiders einsamer Tod und der Schatten hinter dem Sissi

Es ist der 29. Mai 1982. In einer kleinen Pariser Wohnung, verborgen hinter schweren Vorhängen, die das fahle Morgenlicht aussperren, liegt eine Frau. Ihr Gesicht, das einst Millionen Menschen auf Kinoleinwänden verzauberte, ist still. Der Atem geht flach, der Blick ist ins Leere gerichtet.

In diesem Raum applaudiert niemand. Keine Kamera klickt. Nur das unbarmherzige Ticken einer Uhr durchbricht die Stille, als würde die Zeit selbst den Atem anhalten.

Hier, in dieser gedämpften Atmosphäre, erlischt der Glanz einer der größten Leinwandikonen Europas. Romy Schneider ist tot. Leise, ohne Abschied, ohne letzte Worte. Die Nachricht wird wie ein Schock durch die Welt gehen. Doch was war geschehen mit der Frau, die als Kaiserin „Sissi“

in goldenen Kleidern durch prächtige Paläste schritt und eine ganze Generation zum Träumen brachte? Wie konnte ein Leben, das mit so viel Licht, Erfolg und scheinbarer Liebe begann, in einer solch tiefen, undurchdringlichen Dunkelheit enden?

Die Geschichte von Romy Schneider ist mehr als die Biografie einer Schauspielerin. Es ist die Chronik eines Kampfes: der Kampf einer Frau gegen das Bild, das man sich von ihr machte, der Kampf gegen private Dämonen und ein Kampf gegen einen Schmerz, der am Ende unbesiegbar schien.

Geboren als Rosemarie Magdalena Albach am 23. September 1938 in Wien, wurde ihr die Kunst quasi in die Wiege gelegt. Ihre Mutter, Magda Schneider, war selbst eine bekannte Schauspielerin. Doch es war die junge Romy, die das Licht auf eine fast magische Weise anzog. Schon als Teenager stand sie vor der Kamera, und es dauerte nicht lange, bis der deutschsprachige Film in ihr das perfekte Gesicht einer ganzen Nachkriegsgeneration sah: rein, hoffnungsvoll, unschuldig und von einer Schönheit wie aus einem vergessenen Märchen.

Der Durchbruch kam 1955. Als „Sissi“ eroberte sie die Herzen im Sturm. Der Film war ein sensationeller Erfolg, zwei Fortsetzungen zementierten ihren Status als meistverehrte Schauspielerin des Kontinents. Sie war die Kaiserin, die ewige Prinzessin. Doch dieser Triumph war ein goldener Käfig. Romy spürte früh, dass das Publikum nicht sie liebte, sondern das makellose Bild. „Ich wollte nicht immer Sissi bleiben“, sagte sie später. Schon mit Anfang 20 versuchte sie verzweifelt, aus dem Korsett der Erwartungen auszubrechen. Sie wollte nicht das perfekte Mädchen spielen, sondern die Frau dahinter zeigen – mit all ihren Fehlern, ihrer Tiefe und ihrer Widersprüchlichkeit.

Für diesen Ausbruch war sie bereit, alles zu riskieren. Ihre Karriere im deutschsprachigen Raum, ihre vertraute Umgebung, ihr bisheriges Leben. Die Suche nach Wahrheit und Tiefe führte sie 1958 nach Frankreich. Am Set des Films Christine traf sie auf einen jungen, charismatischen und rebellischen Schauspieler, der ihr Leben für immer verändern sollte: Alain Delon.

Was als Leinwandromanze begann, wurde zu einer der explosivsten und meistdiskutierten Liebesgeschichten des europäischen Kinos. Romy folgte Delon nach Paris. Sie verließ ihre Heimat, lernte Französisch und kämpfte sich mühsam in ein neues Rampenlicht. Es war ein radikaler Neuanfang. Während Delon schnell als Rebell des französischen Films gefeiert wurde, musste Romy sich gegen das hartnäckige Image der „kleinen Deutschen“ und der süßen Sissi durchsetzen.

Sie schaffte es. Mit Filmen wie Der Swimmingpool (ironischerweise erneut an Delons Seite) und durch ihre intensive Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Claude Sautet erarbeitete sie sich Respekt. In Filmen wie Die Dinge des Lebens oder Eine einfache Geschichte wurde sie nicht mehr als Prinzessin gezeigt, sondern als moderne, komplexe Frau – verletzlich, stark, leidenschaftlich. Für ihre Leistung in Nachtblende erhielt sie 1976 ihren ersten César, die höchste französische Filmauszeichnung. Sie war auf dem Gipfel ihres Schaffens, eine Ikone des französischen Autorenkinos.

Doch während die Leinwand-Romy triumphierte, zerbrach die private Romy Stück für Stück. Ihr Leben war alles andere als ein Märchen. Die Beziehung mit Delon endete nach fünf turbulenten Jahren auf brutal unsentimentale Weise – er verließ sie. Sie heiratete den Schauspieler und Regisseur Harry Meyen, mit dem sie 1966 ihren Sohn David bekam. Doch die Ehe war schwierig, geprägt von Spannungen und innerer Zerrissenheit. Es folgte die Scheidung und eine zweite Ehe mit ihrem Privatsekretär Daniel Biasini, aus der ihre Tochter Sarah hervorging. Aber auch dieses Glück war von Instabilität überschattet und zerbrach.

Inmitten dieses emotionalen Chaos suchte Romy immer wieder Zuflucht in der Arbeit. Es schien, als ob die Rollen, die sie spielte, ihr halfen, die ohrenbetäubende Stille in ihrem Inneren zu übertönen. Sie war müde. Müde vom ständigen Kampf gegen die Erwartungen, müde von der Last, in der Öffentlichkeit stark und professionell zu wirken, während sie innerlich zerfiel.

Freunde berichteten von Momenten tiefer Verzweiflung, von chronischer Schlaflosigkeit und der Flucht in Alkohol und Medikamente. Romy war keine Frau, die laut klagte, aber ihr Schweigen und die zunehmende Traurigkeit in ihren Augen sprachen Bände. 1979 nahm sich ihr Ex-Mann Harry Meyen das Leben – ein weiterer Schatten, der sich über ihre Seele legte.

Doch der Wendepunkt, der ihr Leben unwiderruflich aus den Angeln hob und das tragische Finale einleitete, kam im Sommer 1981. Es ist der Albtraum jeder Mutter. Ihr Sohn David, gerade einmal 14 Jahre alt, kletterte über den Zaunspieß eines Tores. Er rutschte ab und wurde von einer Metallspitze aufgespießt. Er erlag im Krankenhaus seinen schweren inneren Verletzungen.

Für Romy brach in diesem Moment nicht nur eine Welt zusammen. Ein Teil von ihr selbst starb mit ihrem Sohn. In der Folgezeit zog sie sich zurück, vergrub sich in einer Trauer, die so tief war, dass keine Worte sie beschreiben können. Es war ein innerer Zusammenbruch, leise, aber unaufhaltsam. Alain Delon, der alte Weggefährte, sagte später einen brutalen, ehrlichen Satz: „Romy ist mit David gestorben. Der Rest war nur ein Schatten.“

Trotz dieses unermesslichen Schmerzes kehrte sie noch ein letztes Mal vor die Kamera zurück. Der Titel des Films klingt heute wie eine makabre Prophezeiung: Die Spaziergängerin von Sans-Souci. Ein Film über Verlust, Widerstand und Schmerz. Es war ihr letztes Werk, als hätte sie darin all ihre gebrochene Hoffnung, jede einzelne Wunde, in ein letztes Bild verwandelt. Ihre Augen wirkten dunkler, ihr Lächeln unendlich schwer. Viele, die den Film sahen, bemerkten die stille Dringlichkeit in ihrem Spiel, als wüsste sie, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb.

Im Frühjahr 1982 verschlechterte sich ihr Zustand rapide. Sie wirkte abwesend, müde, oft verwirrt. Die unbarmherzige Gerüchteküche brodelte: War sie erneut in Behandlung? Hatte sie einen Rückfall in alte Süchte? Die Medien spekulierten ohne Rücksicht über ihren Körper und ihre Psyche. Romy schwieg. Vielleicht aus Erschöpfung, vielleicht aus Schutz. Es war die seltsame, unheimliche Ruhe vor dem Sturm.

Am Morgen des 29. Mai 1982 wurde sie leblos in ihrer Wohnung gefunden. Neben ihr eine leere Weinflasche, einige Medikamente. Aber kein Abschiedsbrief, kein dramatischer Hinweis.

Und hier beginnt das letzte Mysterium im Leben der Romy Schneider. Die Behörden entschieden erstaunlich schnell: „Natürlicher Tod“ durch Herzstillstand. Es wurde keine Obduktion angeordnet. Ein Akt der Pietät, um den geschundenen Körper der Ikone nicht weiter zu sezieren? Oder ein Versuch, die unbequeme Wahrheit zu vertuschen?

Die Öffentlichkeit blieb mit Spekulationen zurück. War es eine versehentliche Überdosis Schlaftabletten und Alkohol? War es ein bewusster Schritt, um endlich dem Schmerz zu entkommen und bei ihrem Sohn David zu sein? War es schlicht ein Herz, das im wahrsten Sinne des Wortes gebrochen war?

Die Wahrheit kennt nur sie selbst. Was zurückblieb, war das Bild einer Frau, die immer wieder aufstand, aber nie ganz heil war. Es war Alain Delon, der sich um die Beerdigung kümmerte. Er ließ ihre Leiche nach Boissy-sans-Avoir überführen, ein kleines Dorf, wo sie neben ihrem Sohn David begraben wurde.

Romy Schneiders Leben war geprägt von Kontrasten: Schönheit und Zerbrechlichkeit, Ruhm und Einsamkeit, Applaus und Stille. Sie war nicht perfekt, und genau das machte sie so menschlich, so greifbar. Vielleicht war es ihr größter Kampf, dass sie sich weigerte, sich in eine Schublade stecken zu lassen. Der ständige Kampf, als der Mensch gesehen zu werden, der sie wirklich war – als Frau, als Mutter, als verletzliche Seele. Und vielleicht hat genau dieser Kampf sie am Ende aufgerieben.

Ihr Vermächtnis ist nicht nur in Zelluloid gebannt. Es ist das Gefühl einer tiefen Menschlichkeit, das sie in jede Rolle legte. Sie spielte nicht, sie fühlte. Und so bleibt Romy Schneider nicht als makellose Ikone oder als süße Sissi in Erinnerung, sondern als Echo eines Herzens, das niemals aufhörte zu lieben, zu leiden und zu hoffen – auch wenn es sie am Ende zerriss.