Serie „Kidnapped: The Chloe Ayling Story“ bei ZDFneo

Kurz vor Weihnachten gibt es einen wichtigen Hinweis, den man sich merken sollte: Verschenken Sie bloß nicht das Thema, denn das sorgt nur für lange Gesichter. Ein Beispiel hierfür ist die britische Serie *„Kidnapped: The Chloe Ayling Story“*, die auf der wahren Entführungsgeschichte eines Fotomodells basiert und trotz des dramatischen Themas zu einem enttäuschenden Sechsteiler verkommt. Die Serie behandelt die Entführung von Chloe Ayling im Sommer 2017 in Mailand – ein Fall, der alles bietet, was ein spannender Thriller oder ein packendes Gerichtsdrama ausmacht. Doch die Umsetzung dieser packenden Geschichte bleibt hinter den Erwartungen zurück. Die Zwanzigjährige, die in Großbritannien als „Page Three Model“ bekannt wurde, musste sich während ihrer traumatischen Erlebnisse und der anschließenden Medienberichterstattung mit zahlreichen Vorurteilen und Zweifeln auseinandersetzen, die sie bis heute belasten. Der Fall fand 2018 in einem Prozess seinen Höhepunkt, als der Täter verurteilt wurde, und ein Jahr später erhielt auch sein Komplize seine Strafe. Doch die gefährlichen Vorurteile, die durch die Medien verstärkt wurden, bleiben hartnäckig in der öffentlichen Wahrnehmung.

Die erste Hälfte der Serie rekonstruiert die Entführung auf eine Art, die nicht ganz unoriginell ist. Mit einem üblichen Perspektiv-Vorspiel, das zu einem typischen Aufbau von Streamingserien gehört, wird Ayling selbst in einem Fernsehauftritt präsentiert, um die Schwierigkeiten einer schönen Frau und Model darzustellen, die in der Öffentlichkeit nicht ernst genommen wird. Diese Herangehensweise ist filmisch nicht neu und wurde bereits in anderen Produktionen wie dem deutschen Drama *„37 Sekunden“* verwendet, das ebenfalls die Herausforderungen eines Gerichtsprozesses thematisierte. Doch im Gegensatz zu diesem Beispiel, das durch perfekte Besetzung, Stimmung und Musik glänzte, fehlt der Serie *„Kidnapped“* die nötige Ambition, um die Thematik wirklich zu fassen.

Die Inszenierung bleibt flach und kann das tragische Geschehen, das Ayling durchlebte, nicht ausreichend emotionalisieren. Die Entführung selbst wird relativ emotionslos erzählt, wobei die düstere Atmosphäre und die Schrecken der Situation kaum spürbar werden. Die Drehbuchautorin Georgia Lester, die sich intensiv mit Aylings Geschichte auseinandergesetzt hat, basierte ihre Erzählung auf dem Buch von Chloe Ayling sowie zahlreichen Gesprächen und Protokollen des Gerichtsverfahrens. Doch trotz der ausführlichen Recherche und der aufwändigen Detailtreue bleibt das Ergebnis seltsam distanziert und lässt das Opfer nur wenig zur Geltung kommen.

In der zweiten Hälfte der Serie geht es dann darum, wie Ayling versucht, in der Medienflut, die ihren Fall begleiteten, nicht unterzugehen. Eine besonders umstrittene Szene zeigt, wie Ayling während ihrer Entführung zusammen mit ihrem Entführer einkaufen geht – ein Moment, der in den Schlagzeilen für Aufsehen sorgte und von den Medien in eine falsche Richtung gedeutet wurde. Doch das Drama der Serie wird von den falschen Deutungen und der ungerechtfertigten öffentlichen Verurteilung überlagert, und der tiefere psychologische Schmerz von Ayling wird nur oberflächlich behandelt. Die besten Momente der Serie zeigen, wie Ayling gegen die Fehlinformationen und den Hass in den sozialen Medien kämpft. Doch am Ende bleibt die Frage, ob die Serie tatsächlich mehr bewirken kann als die zahlreichen Interviews und öffentlichen Auftritte von Ayling selbst.