Thomas Neuwirth hat es wieder getan – und diesmal sorgt er für einen Aufschrei, der selbst eingefleischte Conchita-Fans sprachlos zurücklässt. Der Künstler, der 2014 mit „Rise Like a Phoenix“ den Eurovision Song Contest gewann und zur Ikone der Toleranz avancierte, verabschiedet sich endgültig von der bärtigen Diva Conchita Wurst. Sein neues Alter Ego trägt den Namen Frau Thomas – und dieses Rebranding ist weit mehr als ein Gag oder ein kosmetisches Update. Es ist eine radikale Zäsur, ein mutiger Bruch, der sein Publikum gleichermaßen fasziniert wie irritiert.
Doch was steckt hinter diesem Schritt? Ist es die logische Weiterentwicklung eines Künstlers, der nie stehenbleiben wollte – oder ein kalkuliertes Manöver, um im schnelllebigen Showgeschäft nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden? Genau diese Fragen treiben Fans und Kritiker seit Tagen um.
Mit seinem Partner Herr Martin startet Frau Thomas ein neues Bühnenprogramm unter dem Titel „Ruck ma z’samm“. Sieben Konzerte in Wien und Umgebung bilden den Auftakt. Und schon die Locations lassen aufhorchen: Neben klassischen Theatersälen wird auch die Kaiserbründl Herrensauna bespielt – ein Ort, der den Spagat zwischen Tabubruch und Selbstinszenierung auf die Spitze treibt.
Das musikalische Konzept ist so bunt wie widersprüchlich: Chanson trifft auf Wienerlied, Latin auf Swing, Schlager auf ironische Brechung. Eine Collage aus Stilen, die auf den ersten Blick chaotisch wirkt, aber genau darin den Reiz entfaltet. Kritiker nennen es eine mutige Hommage an die Vielfalt der Wiener Musikszene. Skeptiker hingegen fragen sich, ob hier künstlerische Freiheit oder pure Provokation dominiert.
Unübersehbar ist: Thomas Neuwirth geht aufs Ganze. Als Frau Thomas präsentiert er sich nicht nur als Sänger, sondern auch als Entertainer, der mit Witz, Schärfe und tiefgründigen Zwischentönen das Publikum herausfordert. Dabei greift er Themen auf, die sich zwischen gesellschaftlicher Satire und persönlichem Bekenntnis bewegen.
Für viele Fans ist der Bruch dennoch schmerzhaft. Conchita Wurst war über ein Jahrzehnt hinweg mehr als nur eine Kunstfigur – sie wurde zum Symbol für Menschenrechte, für Vielfalt und für das Recht auf Anderssein. Ihr ikonischer Auftritt beim ESC 2014 machte Neuwirth weltberühmt. Dass er sich von dieser Figur löst, wirkt auf manche wie ein Verrat am eigenen Erbe.
Doch gerade dieser Tabubruch könnte der Schlüssel sein: Frau Thomas inszeniert sich als neue Freiheit, als Gegenentwurf zu den Erwartungen, die längst zur Last geworden sind. Das Rebranding ist eine klare Botschaft: Ein Künstler, der sich nicht neu erfindet, stirbt künstlerisch. Neuwirth spielt mit der Gefahr, alte Fans zu verlieren – in der Hoffnung, neue zu gewinnen.
Parallel dazu hält er dennoch an seiner alten Rolle fest: Mit „Conchita Sings The Classics“ will er 2025 ein weiteres Programm präsentieren, in dem er als Conchita bekannte Klassiker neu interpretiert. Eine Doppelstrategie, die Fragen aufwirft: Ist das kreative Vielfalt – oder ein Zickzackkurs, der am Ende niemanden wirklich überzeugt?
Der mutige Schritt spaltet jedenfalls schon jetzt die Öffentlichkeit. Während die einen Frau Thomas als Befreiungsschlag feiern, schütteln andere den Kopf über einen „künstlichen Schockeffekt“. Die Wahrheit liegt wohl dazwischen: Thomas Neuwirth riskiert alles, um das ewige Stigma der ESC-Ikone abzuschütteln und endlich als vielseitiger Künstler ernst genommen zu werden.
Doch der Preis ist hoch: Wer sich selbst neu erfindet, zwingt auch sein Publikum, alte Bilder loszulassen. Ob die Fans bereit sind, diesen Weg mitzugehen, bleibt offen. Sicher ist nur: Frau Thomas wird polarisieren – und genau darin liegt die Wucht dieser Transformation.
Eines ist klar: Conchita Wurst ist Geschichte. Frau Thomas ist die Zukunft. Und diese Zukunft ist unberechenbar, provozierend und gefährlich ehrlich.