Stuttgart/Budapest – Es sind Momente, in denen die Zeit stillzustehen scheint. Momente, in denen die routinierte Maschinerie der Politik kurz anhält und dem Menschen hinter dem Amt Platz macht. Ein solcher Moment ereignete sich am vergangenen Wochenende auf dem Landesparteitag der AfD in Baden-Württemberg.
Die Erwartungen waren gigantisch: Der Saal kochte, die Delegierten warteten auf die Parteichefin Alice Weidel, bekannt für ihre rhetorische Schärfe und ihren unerbittlichen Angriffswillen gegen die strauchelnde Ampel-Regierung. Doch als Weidel ans Rednerpult trat, geschah etwas, das niemand auf dem Zettel hatte. Sie verkündete einen “Rückzug” – und sandte damit eine Botschaft, die weit über den Tag hinaus hallt.
Die Atmosphäre in der Halle war elektrisiert. Es ist der erste Delegiertenparteitag im “Ländle”, eine historische Zusammenkunft, die die Weichen für die kommenden Landtagswahlen stellen soll. Der Landesverband Baden-Württemberg gilt als strategisch entscheidend, hier will die Partei das
“beste Ergebnis in einem westdeutschen Bundesland” einfahren, wie Weidel später betonen sollte. Doch zunächst standen nicht Prognosen im Vordergrund, sondern eine Alice Weidel, die anders wirkte als sonst. Gelöster. Emotionaler. Fast schon privat.

Der Schock-Moment: „Ich werde mich zurückziehen“
Als sie das Wort ergriff, rechneten die Anwesenden mit einer Abrechnung, einer einstündigen Generalanalyse des politischen Gegners. Doch Weidel ließ die Bombe platzen: „Ich werde meine Rede heute hier beenden. Ich werde nicht politisch werden.“ Ein Raunen ging durch die Reihen. Die Parteivorsitzende, extra angereist, verzichtet auf die große politische Bühne?
Ihre Begründung jedoch verwandelte die anfängliche Irritation in tiefen Respekt und donnernden Applaus. „Heute ist ein eingetragener Familientag“, gestand Weidel offen. Sie sei dreieinhalb Stunden aus München angereist, nur um ihre Verbundenheit zum Heimatverband zu zeigen, müsse aber sofort wieder zurück. „Ich habe dort eine familiäre Verpflichtung.“
In einer Zeit, in der Politiker oft als getriebene, fast roboterhafte Funktionäre wahrgenommen werden, wirkte dieses Bekenntnis wie ein Donnerschlag. Weidel priorisierte in diesem Moment nicht die mediale Inszenierung, sondern ihr Wort, das sie ihrer Familie gegeben hatte. „Genau das macht diese Frau so warmherzig und nahbar“, kommentierten Beobachter vor Ort. Es war ein “Rückzug” im besten Sinne: Ein Schritt zurück vom politischen Lärm, hin zu den Werten, die oft beschworen, aber selten gelebt werden. Es zeigte eine Alice Weidel, die glücklich wirkt, zufrieden mit sich und ihrer Rolle, und die genau deshalb die Kraft hat, Prioritäten zu setzen.
Geheime Botschaft aus Budapest: Der Orbán-Faktor
Doch bevor sie die Bühne verließ, hatte Weidel noch ein Ass im Ärmel, das die politische Sprengkraft ihres Kurzbesuchs unterstrich. Sie kam nicht einfach aus Berlin oder München – sie kam direkt aus Budapest. Dort hatte sie an der CPAC, der wichtigsten Konferenz konservativer Kräfte weltweit, teilgenommen. „Es war eine großartige Veranstaltung“, schwärmte sie. Die AfD sei dort erstmals offiziell geladen gewesen, ein Ritterschlag in der Welt der europäischen Rechten.
Und sie kam nicht mit leeren Händen. „Ich habe gestern gegenüber Viktor Orbán erwähnt, dass wir hier heute Landesparteitag haben“, erzählte sie mit einem Lächeln. Die Reaktion des ungarischen Ministerpräsidenten? „Er lässt an euch alle herzliche Grüße ausrichten.“
Diese beiläufige Bemerkung ist politisch hochbrisant. Sie demonstriert, dass die AfD längst nicht mehr isoliert ist, sondern fest eingebunden in ein Netzwerk mächtiger internationaler Partner. Dass Weidel als Botin Orbáns auftritt, stärkt ihren Führungsanspruch enorm. Sie wird in Europa gesehen, geschätzt und – wie sie selbst sagt – für ihre Arbeit „geliebt“. Für die Delegierten in Baden-Württemberg war dies der Beweis: Wir sind wer. Wir werden gehört.

Die Mission: Rekordergebnis im Westen
Trotz der Kürze ihrer Rede ließ Weidel keinen Zweifel am Ziel. Mit Markus Frohnmaier an der Spitze und einem geeinten Landesvorstand soll in Baden-Württemberg Geschichte geschrieben werden. Die Zuversicht, die sie ausstrahlte, war ansteckend. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, rief sie den Delegierten zu. Es war der Auftritt einer Chefin, die ihre Truppen nicht durch lange Monologe, sondern durch Präsenz und Vertrauen motiviert.
Der krasse Kontrast: Schamlose Selbstbedienung in Berlin
Während Weidel durch ihren Verzicht auf Redezeit Größe zeigte, spielt sich in Berlin zeitgleich ein Drama ab, das den moralischen Kompass der aktuellen Regierung in Frage stellt. Der Kontrast könnte nicht schärfer sein: Hier die Oppositionspolitikerin, die für einen Familientag auf die große Show verzichtet – dort eine abgewählte Ampel-Regierung, die in ihren letzten Zügen offenbar versucht, noch schnell Kasse zu machen.
Wie aktuelle Berichte und Analysen, unter anderem vom bekannten Kabarettisten Uwe Steimle, nahelegen, verwandeln sich die Ministerien in den letzten Tagen der Regierung in einen „Selbstbedienungsladen“. Es ist ein Skandal, der die Bürger fassungslos macht: Hunderte von Gefolgsleuten sollen noch schnell auf lukrative Posten gehievt werden, bevor die Macht wechselt.
Aktion „Abendsonne“: Baerbock und Roth in der Kritik
Besonders im Fokus stehen das Außenministerium von Annalena Baerbock und das Kulturstaatsministerium von Claudia Roth. Unter dem zynischen Begriff „Aktion Abendsonne“ werden offenbar Beförderungen im Eiltempo durchgewunken. Beamte und Mitarbeiter, die der Partei nahestehen, sollen, so der Vorwurf, noch schnell mit höheren Gehältern und sicheren Posten versorgt werden – auf Kosten des Steuerzahlers, versteht sich.
„Kaum war das Aus der Ampel besiegelt, legte Annalena Baerbock im Kabinett eine Liste für Beförderungen vor“, heißt es in Berichten. Auch Claudia Roth stehe dem in nichts nach: Acht ihrer Behördenmitarbeiter könnten sich auf höhere Gehälter freuen. Es wirkt wie ein Plünderungszug im Angesicht des Untergangs.
Die Diskrepanz ist gewaltig: Während die Bürger unter Inflation und Wirtschaftskrise leiden, während der Staatshaushalt „kollabiert“ und angeblich ein Loch von Milliarden klafft, scheint für die Versorgung der eigenen Klientel immer noch genug Geld da zu sein. „Schamlos“ ist das Wort, das in diesem Zusammenhang immer wieder fällt. Es bestätigt jedes Vorurteil, das die Bürger gegenüber der politischen Klasse in Berlin hegen: Wasser predigen, aber Wein trinken – und zwar bis zum letzten Tropfen.
Warum die AfD profitiert
Genau diese Bilder sind es, die den Erfolg der AfD erklären. Auf der einen Seite eine Alice Weidel, die authentisch wirkt, die internationale Anerkennung genießt und die den Mut hat, auch mal „Mensch“ zu sein und einen Parteitag für die Familie früher zu verlassen. Auf der anderen Seite ein politisches Establishment, das sich selbst am nächsten ist und den Staat als Beute betrachtet.
Die Szene mit Uwe Steimle, der diese Zustände mit bitterem Humor seziert, trifft den Nerv der Zeit. Wenn er fragt, was eigentlich dieses ominöse „Haushaltsloch“ ist und ob es vielleicht verschwinden würde, wenn man aufhören würde, sich die Taschen vollzumachen, dann spricht er Millionen Deutschen aus der Seele. Die „irregulären Beförderungen“ sind Wasser auf die Mühlen der Opposition.

Ein Wochenende der Wahrheit
Dieses Wochenende hat zwei Gesichter der deutschen Politik gezeigt. Das eine Gesicht ist verzerrt von Gier und Machterhalt um jeden Preis, symbolisiert durch die hektischen Beförderungslisten in den Berliner Ministerien. Das andere Gesicht zeigte sich in Baden-Württemberg: Entschlossen, vernetzt, aber auch menschlich und geerdet.
Alice Weidels „Rückzug“ von der Rede war kein Zeichen von Schwäche, sondern von Souveränität. Sie muss nicht mehr schreien, um gehört zu werden. Ihre Anwesenheit allein, gepaart mit den Grüßen eines europäischen Regierungschefs, reicht aus, um den Saal zu füllen. Und die Tatsache, dass sie danach zu ihrer Familie eilt, macht sie für viele nur noch sympathischer.
Die Botschaft an die politischen Gegner ist klar: Während ihr euch um Pöstchen streitet, formiert sich hier eine Kraft, die nicht nur politisch, sondern auch menschlich eine Alternative sein will. Und die Grüße von Viktor Orbán sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass diese Kraft gekommen ist, um zu bleiben – nicht nur in Stuttgart oder Berlin, sondern in ganz Europa. Es war ein kurzer Auftritt von Alice Weidel, aber vielleicht war es einer ihrer wichtigsten.