Norbert Rier bricht sein Schweigen: Einsam auf dem Hof in Südtirol – warum der Kastelruther-Spatzen

Es hätte ein großes Fest werden sollen – mit Freunden, Familie, Musik und Lachen. Doch statt Jubel herrscht Stille auf dem Fuschlhof in Südtirol.

Norbert Rier, der beliebte Sänger der Kastelruther Spatzen, muss seinen 60. Geburtstag allein mit seiner Frau feiern. Kein Besuch, keine Gäste, keine Enkel. Nur die Berge, die ihn seit Jahrzehnten begleiten, und ein leises Gefühl von Wehmut.

„Natürlich ist das traurig“, sagt er ruhig im Gespräch. „Aber ich bin nicht der Einzige, dem es so geht. Viele Menschen müssen gerade auf das verzichten, was ihnen am meisten bedeutet – Nähe.“


Ein Jubiläum, das ganz anders verläuft

Norbert Rier: "Ich bin erleichtert, dass es ein Urteil gibt!"

Seit über 35 Jahren steht Norbert Rier auf der Bühne. Mit seiner unverwechselbaren Stimme und seiner bodenständigen Art hat er Millionen Herzen erobert. Seine Konzerte sind eigentlich Feste der Freude, der Heimat und des Zusammenhalts. Doch in diesen Wochen ist alles anders.

Die geplante große Feier zu seinem 60. Geburtstag – abgesagt.
Die Tournee der Kastelruther Spatzen – verschoben.
Das Leben – auf Pause gedrückt.

„Ich hatte alles vorbereitet“, erzählt er. „Wie zu meinem 50. Geburtstag wollten wir wieder ein großes Fest auf dem Hof feiern. Es war alles geplant – Musik, Gäste, Essen. Und plötzlich kam das Virus. Auf einmal war alles vorbei.“

Er lächelt müde. „Das ist das Leben. Manchmal muss man einfach loslassen.“


Ein stiller Geburtstag in den Bergen

Am 14. April wird Norbert 60 Jahre alt. Statt Bühne und Applaus gibt es einen stillen Tag zu zweit mit seiner Frau. Kein Telefonklingeln, keine Besucher. Nur das leise Muhen der Kühe, das Läuten der Kuhglocken und der Wind, der über die Alm weht.

„Wir machen das Beste daraus“, sagt er. „Wir kochen gemeinsam, wir genießen die Stille. Manchmal ist das einfacher, als man denkt.“

Doch ein Gedanke schmerzt ihn besonders: seine Enkel.

„Ich habe sie seit Wochen nicht gesehen“, sagt er mit leiser Stimme. „Nur über das Telefon. Das ist nicht dasselbe. Ich vermisse sie – ihre Stimmen, ihr Lachen, ihre kleinen Arme, die sich um meinen Hals legen.“

Ein kurzer Moment der Stille. Dann fügt er hinzu:
„Aber ich weiß, dass es richtig ist. Wir müssen jetzt stark sein. Für sie, für uns alle.“


Arbeit als Therapie

Auf seinem Bauernhof in St. Oswald, hoch über Kastelruth, ist Norbert Rier in seinem Element. Zwischen Tieren, Wiesen und Bergen findet er Trost.

„Arbeit ist für mich die beste Medizin“, sagt er entschlossen. „Ich bin jeden Tag draußen, füttere die Pferde, schaue nach den Zäunen, repariere Kleinigkeiten. Das hält mich fit und hilft, nicht zu viel nachzudenken.“

Seit Jahren lebt der Musiker mit seiner Familie auf dem Hof, den er selbst bewirtschaftet. In der Corona-Zeit ist der Ort mehr denn je zu seinem Rückzugsort geworden. „Hier oben scheint die Welt noch in Ordnung zu sein“, sagt er. „Kein Trubel, kein Stress. Nur Natur und Stille.“

Er lacht: „Und manchmal ein bisschen zu viel Arbeit.“


Gesund und dankbar – trotz allem

Norbert Rier gehört zu den Menschen, die gelernt haben, dankbar zu sein. Nach seiner Herzoperation vor einigen Jahren achtet er besonders auf seine Gesundheit.

„Ich fühle mich gut“, sagt er. „Meine Werte sind in Ordnung, ich bin fit. Ich gehöre zwar zur Risikogruppe, aber Angst habe ich keine. Ich nehme die Sache ernst, aber ich lasse mich nicht verrückt machen.“

Er vermeidet Menschenansammlungen, hält sich an die Regeln – und bleibt positiv. „Ich glaube, es ist wichtig, Ruhe zu bewahren. Diese Zeit wird vorbeigehen. Wir müssen sie einfach durchstehen.“


Tournee verschoben, Hoffnung bleibt

Eigentlich wäre Norbert jetzt auf Tournee – gemeinsam mit seinen „Spatzen“. Doch die Auftritte wurden auf unbestimmte Zeit verschoben.

„Natürlich ist das schade“, sagt er. „Wir hatten uns so gefreut, unsere Fans wiederzusehen. Aber die Gesundheit geht vor. Wir holen alles nach.“

Die Karten behalten ihre Gültigkeit, verspricht er. „Und wenn wir wieder auf der Bühne stehen, wird die Freude doppelt so groß sein. Das verspreche ich.“


„Das Rad hat sich zu schnell gedreht“

Die vergangenen Monate haben Norbert Rier nachdenklich gemacht. „Vielleicht hat es so etwas gebraucht, damit wir alle wieder zur Ruhe kommen“, sagt er. „Das Rad hat sich immer schneller gedreht – mehr Termine, mehr Druck, mehr Geschwindigkeit. Jetzt steht alles still. Und plötzlich merkt man, was wirklich zählt.“

Was zählt, das sind für ihn keine großen Erfolge oder Auszeichnungen. Es sind Familie, Gesundheit, Zusammenhalt.
„Wenn du plötzlich allein auf deinem Hof sitzt, merkst du, wie kostbar Zeit mit den Liebsten ist. Ich wünsche mir, dass wir das nach dieser Zeit nicht vergessen.“


Ein Appell an die Vernunft

Norbert Rier nutzt seine Popularität, um ein Zeichen zu setzen. „Ich möchte allen sagen: Bleibt ruhig. Bleibt zu Hause. Und verliert nicht die Hoffnung.“

Er weiß, wie schwer das ist. „Gerade für ältere Menschen ist Einsamkeit eine Prüfung. Aber wir müssen jetzt vernünftig sein. Je besser wir uns daran halten, desto schneller können wir wieder zusammen feiern, lachen und singen.“

Und er fügt hinzu: „Ich bin überzeugt, dass wir das schaffen. Wir Spatzen waren immer Kämpfer.“


Ein Blick nach vorn

Obwohl er seine Familie vermisst, schöpft Norbert Rier Kraft aus seiner Heimat. „Wenn ich morgens die Dolomiten sehe, denke ich: Wir leben an einem der schönsten Orte der Welt. Das gibt mir Zuversicht.“

In den kommenden Monaten will er neue Lieder schreiben – über Hoffnung, Geduld und das Leben. „Diese Zeit wird auch in der Musik Spuren hinterlassen“, sagt er. „Ich möchte etwas machen, das den Menschen Mut gibt.“

Er lächelt. „Vielleicht wird mein nächstes Lied ‚Wenn die Welt wieder singt‘ heißen.“


„Wir werden uns wiedersehen“

Bevor das Gespräch endet, hat Norbert Rier noch eine Botschaft an seine Fans:
„Ich danke euch von Herzen für eure Treue. Auch wenn wir uns im Moment nicht sehen können – wir bleiben verbunden. Und eines Tages stehen wir wieder zusammen, auf der Bühne oder im Publikum. Bis dahin: Passt gut auf euch auf.“

Er schaut zum Fenster hinaus. Über den verschneiten Gipfeln bricht die Sonne hervor.

„Ja“, sagt er leise. „Es ist traurig, meine Enkel nicht sehen zu dürfen. Aber irgendwann wird das wieder möglich sein. Und dann – dann wird’s ein großes Fest geben.“