Scharfe Kritik an den Ermittlern im Mordfall Fabian: “Nur Indizien!” – Verteidiger zerpflückt Haftbefehl und sät Zweifel an der Schuld der Verdächtigen

Der Mord am achtjährigen Fabian aus Güstrow, Mecklenburg-Vorpommern, ist eine jener Tragödien, die das kollektive Mitgefühl einer ganzen Nation lähmen

. Seit Wochen blickt Deutschland gebannt auf die Ermittlungen, die mit der Festnahme einer Frau eine vermeintliche Wende nahmen.

Doch der Durchbruch, auf den alle gewartet hatten, entpuppt sich nun als juristisches Pulverfass. Ein Pflichtverteidiger stellt sich öffentlich gegen die Staatsgewalt und prangert an, dass der dringende Mordverdacht auf einem Fundament wackelt, das nur aus Indizien und nicht aus harten Beweisen besteht. Der Fall, der schon durch seine

Grausamkeit schockierte, wird damit zu einem Drama über das fragile Gleichgewicht zwischen dem öffentlichen Bedürfnis nach Gerechtigkeit und den fundamentalen Prinzipien des Rechtsstaates.

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Der Schatten über Güstrow: Ein verbranntes Leben

Am 10. Oktober 2025 verschwand Fabian. Er war an diesem Tag nicht in der Schule gewesen. Seine Mutter meldete ihren Sohn wenig später als vermisst, eine Meldung, die sofort eine der größten Suchaktionen in der Region auslöste. Vier Tage des Hoffens und Bangens endeten in der Gewissheit des Schrecklichsten: Fabians verbrannte Leiche wurde an einem Tümpel bei Klein Upahl gefunden, rund 15 Kilometer von seinem Zuhause entfernt. Ein unvorstellbares Verbrechen, das in seiner Brutalität Fragen aufwarf, die weit über die Grenzen des kleinen Ortes hinausreichten.

Es folgten umfangreiche Hausdurchsuchungen, die Sicherstellung von Fahrzeugen und ein intensiver Medieneinsatz, darunter eine detaillierte Aufklärung in der TV-Sendung Aktenzeichen XY ungelöst, die zahlreiche Hinweise hervorbrachte. Die Ermittler gerieten unter immensen öffentlichen Druck, das Verbrechen schnell aufzuklären und der trauernden Familie Antworten zu liefern.

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Die Festnahme: Ein Funke Hoffnung – und sofortiger Konflikt

Am 6. November 2025, fast einen Monat nach dem Verschwinden des Jungen, erfolgte die Festnahme. Gegen eine Frau wurde ein Haftbefehl wegen dringenden Mordverdachts erlassen. Die Medien berichteten schnell über die Identität: Es soll sich um die Ex-Freundin von Fabians Vater handeln. Eine offizielle Bestätigung dieser Verbindung durch die Staatsanwaltschaft blieb aufgrund der Unschuldsvermutung aus, doch das Narrativ war gesetzt. Die Festnahme einer Frau in einem Mordfall dieser Art, zumal sie im familiären Umfeld vermutet wird, ist laut Kriminalexperten eher ungewöhnlich und zog zusätzliche Aufmerksamkeit auf sich.

Doch die vermeintliche Ruhe, die die Festnahme in die aufgewühlte Öffentlichkeit bringen sollte, hielt nicht lange an. Mit dem Auftritt von Andreas Urm, dem Pflichtverteidiger der Verdächtigen, eskalierte der Fall von einer Kriminalgeschichte zu einem Rechtsstreit von nationaler Relevanz.

Der Verteidiger zerpflückt den Haftbefehl: Nur Indizien?

Rechtsanwalt Andreas Urm, ein Mann, der in der Öffentlichkeit plötzlich im Zentrum eines riesigen Medienechos stand, verschwendete keine Zeit. Er trat mit scharfer Kritik an die Öffentlichkeit und stellte die Arbeit der Ermittlungsbehörden vehement infrage. Seine zentralen Einwände sind nicht nur formeller Natur, sondern rütteln am Kern der Beweislage.

Urm spricht offen von „zahlreichen Unklarheiten“ im Haftbefehl. Am beunruhigendsten ist jedoch seine Feststellung, dass die Beweislage, die zu einer derart weitreichenden Maßnahme wie einer Inhaftierung führt, „nur Indizien, keine harten Beweise“ biete. Ein dringender Verdacht erfordert laut Gesetz zwar keine endgültige Gewissheit, aber eine hohe Wahrscheinlichkeit der Täterschaft. Wenn dieser Verdacht lediglich auf einer Kette von Indizien beruht, die potenziell auch anders interpretiert werden könnten, stellt dies die gesamte Grundlage des Verfahrens infrage. Die Frage steht im Raum, ob die Ermittler unter dem Druck der Öffentlichkeit zu schnell gehandelt und einen Verdacht festgeschrieben haben, der juristisch nicht wasserdicht ist.

Darüber hinaus prangert Urm prozedurale Mängel an. Der Haftbefehl, so seine Aussage, sei bereits am 5. November datiert gewesen, seiner Mandantin aber erst am Donnerstagabend, dem 7. November, schriftlich zugestellt worden. Vollstreckt wurde er am 6. November. Diese Diskrepanzen, so scheint es, nutzt der Verteidiger, um die Sorgfalt und die Rechtmäßigkeit des gesamten Vorgangs anzugreifen. Besonders schwer wiegt für Urm die Tatsache, dass eine „fundierte Stellungnahme nicht möglich“ sei, solange ihm die vollständige Akteneinsicht verwehrt werde. Ohne die Akten kennt er die tatsächlichen Gründe der Ermittler für den dringenden Verdacht nicht. Diese Situation zwingt ihn zur öffentlichen Verteidigung, um die Rechte seiner Mandantin zu wahren.

Die offenen Fragen: Motiv, Tatort und der Druck der Straße

Die Kritik des Verteidigers beleuchtet die tiefen Gräben und die vielen unbeantworteten Fragen, die in diesem Fall noch existieren. Die wichtigsten offenen Punkte, die auch nach der Festnahme nicht geklärt sind, bleiben:

Das Motiv: Es gibt bislang keine offiziellen Angaben darüber, warum Fabian getötet worden sein könnte. War es Rache, Eifersucht oder ein anderes, dunkles Motiv? Ohne ein klares Motiv bleibt die Tat im Raum der absoluten Unvernunft und erschwert die juristische Einordnung und die Konstruktion eines Tatablaufs.

Der Tatgang: Ist der achtjährige Junge an dem Fundort bei Klein Upahl getötet worden, oder wurde seine Leiche erst nachträglich dorthin verbracht? Die Unterscheidung ist für die Ermittlung des Tathergangs, des Zeitpunkts und der möglichen Komplizen oder Zeugen von entscheidender Bedeutung.

Die Beweise: Der Konflikt zwischen den “dringenden Verdacht” der Behörde und den “nur Indizien” der Verteidigung ist ein juristischer Tanz auf Messers Schneide. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Indizienkette der Staatsanwaltschaft so dicht und lückenlos ist, dass sie vor Gericht Bestand hat, oder ob das gesamte Konstrukt bei einer detaillierten Prüfung durch die Verteidigung zusammenbricht.

Die Identität und der Hintergrund der Verdächtigen: Während die Medien die Verbindung zur Ex-Partnerin des Vaters als gesichert ansehen, bleibt die offizielle Seite zurückhaltend. Diese Zurückhaltung ist rechtsstaatlich geboten, aber sie nährt gleichzeitig Spekulationen und erschwert es, die wahren Hintergründe der Tat objektiv zu beleuchten.

Der Umstand, dass die Ermittlungen unter so starkem medialem Interesse stattfanden und sogar Aktenzeichen XY zur Aufklärung beitragen musste, setzte die Behörden massiv unter Druck. Die Gefahr, dass dieser Druck zu einer verfrühten Festnahme geführt hat, die auf einer zwar plausiblen, aber nicht gerichtsfesten Indizienkette basiert, ist real und wird nun vom Verteidiger auf das Schärfste thematisiert.

Kritik an Vorgehen der Ermittler im Fall Fabian: Warum die Behörden die Öffentlichkeit nur sparsam informieren

Ein tragisches Ende und die Verantwortung der Justiz

Der Mord an Fabian ist ein tragisches Verbrechen, das in die tiefsten Ängste der Gesellschaft eindringt. Die Sehnsucht nach einer schnellen und klaren Auflösung ist verständlich. Doch gerade in Fällen, die eine solche emotionale Wucht entfalten, muss der Rechtsstaat seine Prinzipien mit größtmöglicher Härte verteidigen.

Die Unschuldsvermutung gilt für alle Beteiligten, auch und gerade für die Frau, gegen die Haftbefehl erlassen wurde. Der Verteidiger Andreas Urm hat mit seinem öffentlichen Auftritt eine wichtige Funktion wahrgenommen: Er hat daran erinnert, dass die Justiz nicht nur dem Drang der Öffentlichkeit nach Bestrafung, sondern vor allem der Pflicht zur zweifelsfreien Wahrheitsfindung unterliegt.

Die kommenden Wochen werden entscheidend sein. Hält die Aktenlage, was die Ermittler versprechen? Kann die Staatsanwaltschaft die Indizien zu einer lückenlosen Beweiskette schmieden, die die Vorwürfe des Mordes gegen die Verdächtige untermauert? Oder wird sich die Kritik des Verteidigers bewahrheiten und sich der Kreis der Verdächtigen erneut öffnen müssen?

Unabhängig vom Ausgang des juristischen Dramas bleibt die schreckliche Realität des Verlusts eines achtjährigen Jungen. Deutschland hofft auf Gerechtigkeit, aber wahre Gerechtigkeit muss auf der Klarheit der Fakten beruhen, nicht auf dem Gewicht des Verdachts. Das juristische Ringen um Fabian wird damit zum Sinnbild für den Konflikt zwischen öffentlicher Empörung und rechtsstaatlicher Sorgfaltspflicht. Die Suche nach der Wahrheit geht weiter.